Menü
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
die niedersächsische Bauordnung – geliebt und gehasst. Viele Architekt*innen und Bauunternehmen klagen immer und immer wieder über das Bürokratiemonster NBauO. Und damit haben sie Recht. Bau ist kompliziert und unser enges Regelwerk macht es an vielen Stellen noch komplizierter, teurer, aufwendiger und zieht den Bau unnötig in die Länge.
Damit ist jetzt Schluss! Heute erblickt eine weitgehende Novellierung der niedersächsischen Bauordnung das Licht der Welt in dieser erwürdigen Halle. Und anders als es sonst der Fall ist, bedeutet das für die, die damit arbeiten, keine neuen komplizierten Vorschriften sondern tatsächliche Vereinfachung!
Uns fehlt Wohnraum. Wir müssen dringend Wohnraum schaffen und den Wohnungsmarkt wieder für die attraktiv machen, für die er attraktiv sein sollte: Mietende, bzw. Kaufende. Der Wohnungsmarkt, so wie er jetzt ist, ist vor allem für Vermieter*innen und Investor*innen attraktiv.
Geringes Angebot und hohe Nachfrage führen zu hohen Preisen und vielen Bewerber*innen für eine Wohnung. Wir können nicht zusehen, wie bei solchem Verfahren die Schwachen verlieren und die soziale Ungerechtigkeit zunimmt.
Wir merken jahrelange CDU-Regierung, die auf der einen Seite die Regeln für die Bauwerke immer enger strikte und zeitgleich den Markt komplett aus der Hand gab.
Um dem fehlenden Wohnraum entgegenzutreten, haben wir als rot-grüne Regierung bereits die WohnRaum Niedersachsen GmbH gegründet und in diesem Prozess auch immer wieder die Novellierung der Bauordnung angekündigt.
Eins sei vorab gesagt: Bei dieser Novellierung gibt es nur einen Verlierer – die Bürokratie. In erster Linie gewinnen aber die Menschen in Niedersachsen. Die junge Familie, die schon ewig auf der Suche nach einer neuen, größeren, Wohnung ist. Die Studentin, die zum ersten Semester von Ilsede nach Braunschweig ziehen möchte und dann im dritten Semester, noch immer in ihrem Kinderzimmer wohnt und lernt. Es gewinnen die Architekt*innen, die Bauunternehmen und letztendlich auch die zuständigen Behörden.
Liebe Kolleg*innen, die Novellierung der niedersächsischen Bauordnung ist ein Zeichen des Aufbruchs. Sie zeigt wie Politik und guter Diskurs funktionieren. Sie zeigt uns wie praxisnahe Lösungen in der Politik umgesetzt werden können und dass Politik für die Bürger*innen gemacht wird. Und zwar alle Bürger*innen, nicht nur jene, die sich Einfamilienhäuser leisten können. Und dennoch weiß ich, dass einige Punkte welche ich gleich erläutern werde zu Unmut in der Opposition führen werden. Darum fange ich doch direkt mit einem solchen Punkt an:
In §47 der NBauO entfällt die Stellplatzpflicht für Wohngebäude.
Das betrifft nicht allein den Neubau, sondern greift auch bei Änderung der Nutzung, bei Aufstockung, bei Teilung der Wohnung oder einer dem Ausbau des Daches.
Damit gehen wir in Niedersachsen nicht nur einen Weg der das Bauen günstiger macht sondern machen einen großen Sprung auch für die Verkehrswende. Trotzdem ist zu erwähnen, dass lediglich die Pflicht entfällt. Wenn die Bauenden Stellplätze mit errichten möchten, ist dies nach wie vor möglich. Gerade im eng verdichteten urbanen Raum, also dort wo der Wohnraum knapp und teuer wird, können Stellplätze oft nur durch den Bau einer Tiefgarage geschaffen werden. Dies ist ungemein teuer und schafft in der Regel nur eins: Luxus! Andernfalls könnten die Bauenden eine Ausgleichszahlung entrichten, auch das entfällt. Zugunsten der Baukosten und der damit späteren Mietkosten. Hier ist also die erste Vereinfachung bei Planung und Umsetzung erfolgt, außerdem werden die Baukosten stark gesenkt.
Bleiben wir doch direkt bei den Vereinfachungen.
In §66 Abweichungen
werden direkt mehrere Punkte vereinfacht. Darunter die Vereinfachung von Nutzungsänderungen und von Baumaßnahmen, die der Modernisierung, dem Ausbau oder dem Erhalt bestehender Gebäude dienen. Außerdem, und das freut mich ganz besonders, findet der Gebäudetyp E – wie er umgangssprachlich genannt wird – Einzug in die NBauO. Dieser Gebäudetyp E dient der praktischen Erprobung neuer Bau- und Wohnformen. Hiermit wird den Architekt*innen und den Bauunternehmen ermöglicht die Innovation im Bau voran zu bringen, ohne dabei in einem eng geschnürrten Regelkorsett gefangen zu sein.
Ein weiteres Problem beim Bau ist oft auch unser föderales System. Auch wenn wir im Bund wieder ein Bauministerium haben hat doch jedes Bundesland eine eigene Bauordnung. Gegen Ende des letzten Jahres kam dann aus dem Kanzleramt ein 14 Punkte-Plan, welcher auf Landesebenen umgesetzt werden soll und so aus der Neubaukrise helfen soll. Es ist wohl eine Selbstverständlichkeit, dass die Umsetzung auch in Niedersachsen längst begonnen hat. So zum Beispiel in
§73a Typengenehmigung
Typengenehmigungen anderer Bundesländer verlieren nicht mehr an der niedersächsischen Landesgrenze ihre Gültigkeit sondern gelten mit der NBauO dann auch in Niedersachsen.
Die Niedersächsische Bauordnung ist aber auch ein Teil der Energiewende, denn wo ergeben PV-Anlagen mehr Sinn als auf Dächern und dies bevor wir großflächig unseren guten, fruchtbaren Boden mit PV-Anlagen zubauen.
Niedersachen ist Klimaschutzland! Wir passen unsere Bauordnung nicht nur im Sinne der Wirtschaftlichkeit an, sondern sehr wohl auch im Sinne unserer Umwelt!
Bauen ist ein Hauptverursacher unserer Emissionen, da liegt es auf der Hand, dass Abreißen und Neubauen nicht in unserem Interesse sein kann. Und verstehen Sie mich hier nicht falsch, ich will keine Gebäude gerettet wissen die längst verfallen sind, ich möchte nur unnötige Abrisse vermieden haben. Das was im Bau die Emissionen so in die Höhe treibt sind die Materialien welche hergestellt und transportiert werden müssen. Die bereits verbauten Materialien eines Gebäudes haben damit schon Emissionen gebunden, wir sprechen hier von grauer Energie.
Für die, die es nicht kennen: Graue Energie bezeichnet die Energie, welche bereits in den Baustoff gewandert ist. Deshalb müssen beim Bau eines Gebäudes der Bau, Betrieb und auch der Rückbau betrachtet werden! Ältere Gebäude sind im Betrieb nicht so effizient wie moderne Bauten, haben aber bereits über lange Zeit die graue Energie in ihren Bausubstanzen gespeichert!
Konkret bedeutet das, bei einem KfW55 Neubau haben wir 51% graue Energie im Lebenszyklus und 80% graue Emissionen.
Und genau diese Energie ist in der Novellierung bedacht, denn wir machen in Niedersachsen etwas großes – eine Umbauordnung!
Die Bauordnung wird durch den §85a und §85b ergänzt.
§85a lässt sich dabei kurz und zentral beschreiben: Ein Gebäude muss nach dem Umbau nicht mehr können als vorher, mit Ausnahme der CO2-Reduzierung. Ein altes Fachwerkhaus mit Holztreppe muss also bei einer Aufstockung, oder einem Dachbodenausbau keine Betontreppe in den oberen Stockwerken verbauen wie es bis lang der Fall gewesen wäre. Die Standards werden hier im Sinne der Praxis, der Kosten und auch im Sinne des Umweltschutzes gesenkt. Jedes sanierte Haus erspart einen Abriss und damit eine Schlacht der Ressourcen. Ein saniertes Haus braucht weniger graue Energie. Wir brauchen sanierte Häuser!
§85b nimmt Bezug auf neue Wohnformen, die längst Einzug in unser niedersächsisches Leben gefunden haben. Tiny Houses! Diese sind oft so gebaut, dass sie mobil sind. Nach bisheriger Bauordnung müssten Tiny Houses bei jedem Ortswechsel wieder den aktuellen Standards entsprechen, obwohl ja nur ein bestehendes Haus umzieht. Die mobilen Häuser finden in diesem Teil der NBauO erstmals Einzug und werden als das begriffen was sie sind. Damit sind wir am Zahn der Zeit und ermöglichen so attraktiv neue Wohnformen zu probieren!
Es gibt noch viele weitere Änderungen. Dazu zählen Abstandsregelungen, die Unterbringung von Schutzsuchenden, Rettungswege, Aufzüge, Energieerzeugung und vieles mehr.
Ich stehe heute vor Ihnen und reite Paragraphen. Das war vielleicht etwas trocken, aber das meine Damen und Herren ist Politik die den Menschen wirklich hilft.
Wir sehen Probleme und gehen diese an. Wir machen praxisnahe Politik.